Maximilan Volz, VWheute, vom 28. März 2019

Der Förderverein "VM4K" will Kfz-Versicherer methodisch nach vorne bringen, indem er sie enger mit der mathematischen Forschung vernetzt. VWheute hat exklusiv mit Bernd Zens (Vorstandsmitglied bei DEVK und VM4K) und Alexander Windmann, Mathematikstudent und Träger des ersten VM4K-Stipendiums über die Zukunft der K-Versicherung gesprochen.

Wie sieht die Kfz-Versicherung der Zukunft aus, wenn eh alle Autos autonom fahren?

Bernd Zens: Eine Weile werden die verschiedenen Interessengruppen versuchen, die Halterhaftung aufrecht zu erhalten, aber, wenn das autonome Fahren sich durchsetzt, was für mich noch nicht erwiesen ist, wird es meines Erachtens. auf eine Produkthaftung hinauslaufen.

Alexander Windmann: Auch wenn sich das autonome Fahren etabliert, ist davon auszugehen, dass es weiterhin Unfälle geben wird. Klassische Risikomerkmale, die im Augenblick bei der Tarifierung wichtig sind – wie Beruf oder Alter –, müssen dann ­­ersetzt werden. Dafür werden die Daten noch wichtiger, zum Beispiel aus der Telematik.

Können die Versicherer komplexe Aufgaben wie die Kfz-Versicherung der Zukunft allein lösen oder braucht es Partnerschaften?

Zens: Die Tarifierung in Deutschland ist bereits sehr differenziert. Dabei wurden in der Vergangenheit und auch aktuell immer wieder Ideen von außen berücksichtigt. Warum sollte sich das in der Zukunft ändern?

Windmann: Durch den schnellen technischen Wandel werden die Datenberge, auf denen die Versicherer sitzen und mit denen sie umgehen müssen, deutlich größer. Gleichzeitig brauchen die Hochschulen Datenmaterial, um an ihren theoretischen Modellen zu arbeiten. Da liegt eine Zusammenarbeit auch aus meiner Sicht sehr nahe.

Welche Rolle wird die Versicherungsmathematik in der Kfz-Versicherung von morgen spielen?

Zens: Die Versicherungsmathematik nimmt einen nicht mehr wegzudenkenden Platz in der Autoversicherung ein. Das wird so bleiben und war für unser Haus der Grund, uns bei VM4K zu engagieren.

Windmann: Während der vier Jahre, die ich nun studiere, habe ich miterlebt, wie an meiner Hochschule neue Studiengänge wie Data Science eingeführt wurden. Dort geht es um Themen wie Big Data und Künstliche Intelligenz, die in den Medien sehr gehypt werden – zu Recht, denn sie spielen in allen Lebensbereichen eine immer wichtigere Rolle. Nach meiner Einschätzung wird dadurch die Rolle der Mathematik in der KFZ-Versicherung noch wichtiger als heute.

Warum braucht es VM4K, was kann erreicht werden, wo liegen die Grenzen?

Zens: Das Thema Versicherungsmathematik ganz allgemein ist - von außen betrachtet - erstmal ziemlich abstrakt und sicher auch wenig „hipp”. 

Windmann: Das kann ich bestätigen. Unter Studierenden der Mathematik, die sich mit ihrer späteren beruflichen Laufbahn auseinandersetzen, sind Banken oft viel populärer. Die Arbeit in der Versicherungsbranche stellen sich viele verstaubt und langweilig vor. Dass sich die Arbeit in Banken und Versicherungen sogar ähneln kann, ahnen sie nicht.

Zens: Deshalb hat es sich VM4K zur Aufgabe gemacht, Studenten mit interessanten und relevanten täglichen Aufgabenstellungen und Herausforderungen aus der Welt der Autoversicherung in Berührung zu bringen. Dies ist, und das darf man glaube ich nach den ersten Jahren sagen, auch ganz gut gelungen. Dabei alleine auf „Startup-Atmosphäre“ zu setzen, greift zu kurz, um Mathematiker für die Versicherungswirtschaft zu interessieren.

Windmann: Wir leben in einer aufregenden Zeit. Ich habe den Eindruck, dass sich die Art, wie Versicherer heute arbeiten, in naher Zukunft grundlegend ändern wird. Und als Mathematiker können wir diesen Wandel aktiv mitgestalten. Eine mehr als spannende Aufgabe, die VM4K zu Recht mehr publik machen will.

Versicherer werden immer mehr zu Technikkonzernen, ist eine Zusammenarbeit mit der Forschung der logische nächste Schritt?

Zens: Sicher. Dies gilt insbesondere für alle Ausprägungen der modernen IT-Berufsbilder
Welche Vor- und Nachteile bietet das?
Zens: Auf der einen Seite sicher Effizienzgewinne, jedoch wird es entscheidend darauf ankommen, Mensch und Technik/Maschine intelligent miteinander zu vernetzen.

Windmann: Ich glaube, es müssen Berührungsängste abgebaut werden. Wenn Versicherer etwas Neues wagen, kann es für sie schnell um viel Geld gehen. Aber ohne Zusammenarbeit, mit der sie eben auch ein Risiko eingehen, besteht die Gefahr, dass sie Entwicklungen verpassen.

Sehen Sie durch die engere Zusammenarbeit die Gefahr einer Einflussnahme auf die Forschung seitens der Wirtschaft?

Zens: Ja, aber warum sollte das schlecht sein? Wem nützt eine Forschung nur um der Forschung Willen?