Der Mathematikstudent Silas Eul ist als erster Gewinner aus dem Wettbewerb „Das Model(l) und die Nerds“ hervorgegangen, den der Förderverein VersicherungsMathematik im Bereich der Kraftfahrtversicherung, kurz VM4K, ausgerichtet hat. Der zweite Preis in der Gesamtwertung sowie der Sonderpreis für die beste Prognose gingen an das Dreierteam WMA@THRo.

Beim Wettbewerb sollte ein Prognosemodell erstellt werden, das die Schadenerwartung in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für PKW ermittelt. Die Teilnehmenden mussten zunächst reale Messwerte des gesamten deutschen Kraftfahrtversicherungsmarktes aus länglichen PDF-Dateien extrahieren und validieren.

 

Neuronale Netze

Für seinen Ansatz nutzte Silas Eul ein neuronales Netz. Es enthält eine Input-Schicht für die Merkmale Fahrzeug-Typ, Schadensfreiheits-Klasse und Kilometerlaufleistung. Prognostiziert wird der Schadensbedarf in der Output-Schicht. Dazwischen liegen zwei innere Schichten mit jeweils 400 Neuronen. Diese sind jeweils mit allen Neuronen der vorherliegenden und nachfolgenden Schicht verbunden.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Bewertet wurden der Aufbau der Datenbank, der gewählte Modellansatz, das Programm sowie die schriftliche Dokumentation. Die Entscheidung zwischen Platz 1 und 2 fiel eng aus. "Obwohl WMA@THRo in der Kategorie 'Modellansatz' knapp vor Silas Eul lag, hatte dieser in den Rubriken 'Programm' und 'Dokumentation' die Nase vorn", sagt Onnen Siems, VM4K-Vorstandsvorsitzender und Mitglied der Jury.

Für den Sonderpreis wurde die beste Prognose anhand des gewichteten Bestimmtheitsmaßes für das Statistikjahr 2019 ermittelt. Die Bereitung der Aufgabe war zeitlich so abgestimmt, dass die Veröffentlichung der Kraftfahrtstatistik 2019 nach dem Abgabetermin der Wettbewerbsbeiträge lag. "So konnte ein absolut objektiver Maßstab für den Sonderpreis angelegt werden. Das Team WMA@THRo konnte mit seinem guten Modell auch die beste Prognose für 2019 liefern", erläutert Siems.

Wie die beiden erstplatzierten Teams den Wettbewerb erlebt haben, schildern sie im Interview.

Was war die größte Herausforderung?

Team Silas: Die Modellierung des Jahreseinflusses und eine Normierung diesbezüglich, um eine zugrundeliegende Verteilung bestimmen zu können, unabhängig von der Jahreszahl.

Team WMA@THRo: Die größe Herausforderung war die Auswahl der Modellgütekriterien. Da war eine Abwägung zwischen quantitativ und qualitativ zu treffen. In Frage kam zum Beispiel, ein GLM-Modell einzusetzen, das sich sehr schön plausibilisieren lässt und die Tarifstrukturen gut darstellt. Attraktiv schien aber auch Gradient Boosting, eine maschinelle Lerntechnik, für die wir uns am Ende entschieden haben. Die lässt sich zwar nicht so leicht vermitteln, ist aber quantitativ sehr überzeugend und hat uns ja auch den Sonderpreis des Wettbewerbs beschert.

Gab es einen Heureka-Augenblick?

Silas: Ich würde nicht sagen, dass es einen expliziten Augenblick gab, vielmehr waren es viele kleinere Momente.

WMA@THRo: Das trifft auch für uns zu.

Silas: Bei mir war es zum Beispiel so, dass ich zunächst versucht habe, den Einfluss der Jahre lediglich durch eine Inflationsbereinigung zu modellieren. Jedoch hat das die Varianz in den Daten nicht verringert, sondern sogar erhöht.

Was hat Sie überrascht? 

WMA@THRo: Wirklich überrascht hat uns, dass Daten, die so stark aggregiert sind und zu denen so wenige Kovariablen vorliegen, zu einem Ergebnis geführt haben, das so gut vorzeigbar ist. Und das, obwohl uns weniger Informationen vorlagen als ein professionelles Aktuariat zur Verfügung hat, um den Schadenbedarf in einer Tarifzelle zu prognostizieren.

Silas: Um ein gutes neuronales Netz zu entwickeln, habe ich unter anderem auch die Anzahl der Neuronen variiert. Im Gegensatz zu WMA@THRo, welche offenbar ein Modell mit wenig Parametern entwickeln konnten, war für mein Modell eine überraschend hohe Anzahl an Neuronen – im Vergleich zu der geringen Anzahl an Eingangsvariablen – nötig, um die Bestapproximation mit dem gewählten Modell zu erreichen.

Was nehmen Sie unterm Strich aus der Erfahrung mit?

WMA@THRo: Wie viel Spaß es macht, im Team zu arbeiten. Dabei gab es die Einschränkung, dass wir uns unter Corona komplett digital organisieren mussten. Aber unsere wöchentlichen Skype-Sitzungen waren trotzdem sehr produktiv. Und auch fachlich haben alle ihre eigenen Stärken eingebracht – jeder konnte vom Anderen lernen.

Silas: Meine erste Bachelorarbeit war im Bereich Technomathematik. Derzeit versuche ich diesen Wettbewerbsbeitrag zu einer Abschlussarbeit im Bereich Wirtschaftsmathematik zu erweitern. Somit war dies das erste Thema, mit dem ich mich intensiver im Wirtschaftsbereich beschäftigt habe. Insbesondere fand ich es Interessant zu erkennen, wie sich die Herangehensweisen im wirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Bereich unterscheiden.

WMA@THRo: Auch wir haben uns durch den Wettbewerb Bereiche erschlossen, die nicht an der Uni behandelt wurden, zum Beispiel das automatisierte Einlesen von Daten, in diesem Fall aus dem Auszug der KH-Jahresgemeinschaftsstatistik der BaFin.

Was ist Ihr Berufsziel?

WMA@THRo: Benvenuto, Jan und Oleksandr melden sich demnächst zur Ausbildung zum Aktuar DAV an, haben aber bereits im Rahmen des Studium 5 von 10 Prüfungen zum Aktuar anerkannt bekommen.

Silas: Ich will zukünftig in der Forschung und Entwicklung tätig sein. Insbesondere würde ich gerne in Themengebieten arbeiten, welche noch im Aufbau sind und wo man noch viel zu bahnbrechenden Neuentwicklungen beitragen kann. Bisher schweben mir da die Bereiche Quantum Computing, Raumfahrt, 3D-Druck oder auch weiterhin Neuronale Netze vor. Zur Zeit spekuliere ich auch noch mit einer Promotion.

 

Die Gewinner 

1. Platz: Silas Eul studiert im Master Applied Mathematics am RheinAhrCampus Koblenz.

Silas Eul

 

2. Platz und Sonderpreis: Das Team WMA@THRo besteht aus (v.l.n.r.) Jan Philipp Severin, Oleksandr Zabara und Benvenuto Schröter. Die drei haben während des Wettbewerbs im Bachelorstudiengang Wirtschaftsmathematik-Aktuarwissenschaften an der TH Rosenheim studiert.

WMATHRo

 

Den 3. Platz teilen sich drei gleichstarke Teams:

  • MaTHminds (Georgi Demirov, Coretta Krammes, Jacqueline Alyssa Nedu – TH Köln)
  • moẟ (Ilona Maske – TH Dortmund/Signal Iduna)
  • Proxary (Jonathan Kolb, Peter Kurthen, Max Weber – TH Rosenheim)

 

Inspirierte Beiträge

"Im Namen der Jury kann ich sagen, dass wir von der Kreativität, Präzision und Wendigkeit der Wettbewerbsbeiträge begeistert waren", sagt Siems. "Uns ist klar, dass wir den Teilnehmenden viel abverlangt haben“. „Anders als Branchenprofis, die seit Jahren im Geschäft sind, können sie auf keinen Erfahrungsschatz zurückgreifen“, fügt Bernd Zens hinzu, VM4K-Schatzmeister und DEVK-Vorstand. „Aber gerade deswegen kommen sie auf innovative Einfälle und Modelle, mit denen sie andere inspirieren. Indem im Wettbewerb junge Studierende auf einfallsreiche Art mit realen Daten gearbeitet haben, erfüllte er auf erfreuliche Weise ein Kernanliegen von VM4K: den mathematischen Nachwuchs in K anzusprechen, zu fordern und zu fördern".

 

BaFin

Die Studierenden, die am Wettbewerb „Das Model(l) und die Nerds“ teilgenommen haben, erhielten Daten zur KH-Jahresgemeinschaftsstatistik, die von der BaFin stammen.

 

Eine Jury aus Wirtschaft und Forschung vergab Preisgelder in Höhe von insgesamt 19.000 Euro

In der Jury sind Versicherer und Hochschulen vertreten. Den Wettbewerb begleitet und die Beiträge begutachtet haben Prof. Dr. Martina Brück (Hochschule Koblenz), Udo Jüngling (Toyota Versicherungsdienst), Philipp Knott (freeyou AG), Dr. Wolfgang Micus (ERGO Group AG), Onnen Siems (Meyerthole Siems Kohlruss) und Bernd Zens (DEVK).

Der erste, zweite und dritte Preis waren mit 5.000, 3.000 und 2.000 Euro dotiert. Für die beste Prognose 2019 wurde ein Sonderpreis in Höhe von 5.000 Euro vergeben.