Maximilian Volz, VWheute, vom 30. April 2020
Annika Ziegler hat eine Bachelor-Arbeit zum Staunen vorgelegt. Sie verbindet darin Telematik, Big Data und Heatmaps zu einer Verbindung, von deren Ergebnissen am Ende die ganze Kfz-Branche profitieren könnte. Für VWheute hat sie sich Zeit genommen, um über ihr Werk, die Zusammenarbeit mit der Itzehoer und ihre weiteren Ziele zu sprechen.
VWheute: Frau Ziegler, Sie arbeiten in ihrer Bachelor-Arbeit, über die wir ausführlich berichteten, mit Heatmaps (siehe Bilder, was ist das und welche Möglichkeiten bietet die Analyse mit dieser Technik.
Annika Ziegler: Die mir zur Verfügung gestellten Telematikdaten liegen in einer sekündlichen Frequenz vor, was zur Folge hat, dass es sich um eine sehr große Datenmenge handelt. Durch die Berechnung der Heatmaps wird diese komprimiert, was im weiteren Verlauf der Analysen zu kleineren Rechenzeiten führt. Bei diesen Heatmaps handelt es sich um zweidimensionale Grafiken, die das Geschwindigkeits- und Beschleunigungsverhalten von Fahrern veranschaulichen.
Jeder Pixel steht hierbei für ein Geschwindigkeits- und Beschleunigungsintervall. Die Farbe gibt an, wie hoch der prozentuale Anteil an gefahrener Zeit in diesem Intervall ist. So stehen rote Pixel für einen hohen Fahranteil und blaue Pixel für einen niedrigen Fahranteil. Der Vorteil von Heatmaps liegt vor allem in der anschaulichen Visualisierung und leichten Interpretierbarkeit. Anhand der Heatmap eines Fahrers lassen sich deutlich die Charakteristika seines Fahrverhaltens erkennen.
VWheute: Mit Heatmaps können „charakteristische Fahrprofile“ herausgearbeitet werden. Können Sie ein-zwei Beispiele nennen und erklären, wie ein Versicherer diese nutzen kann?
Annika Ziegler: Bei den charakteristischen Fahrprofilen, auch Hauptkomponenten genannt, handelt es sich auch wieder um Heatmaps. Die wichtigste Hauptkomponente beschreibt zum Beispiel einen Fahrstil, bei dem besonders viel in kleinen Geschwindigkeitsbereichen gefahren wird. Mein Modell zeigt, dass es sich hierbei um einen eher sicheren Fahrstil handelt. Nun kann die Ähnlichkeit der Heatmap eines Fahrers mit dieser Hauptkomponente ermittelt werden. Je höher die Ähnlichkeit mit dieser Hauptkomponente ist, desto kleiner ist der erwartete Schadenbedarf.
VWheute: Sie arbeiten mit der Itzehoer zusammen, wie kam es zur Zusammenarbeit und nutzt der Versicherer Ihre Erkenntnisse?
Annika Ziegler: Die Bachelorarbeit entstand in Zusammenarbeit mit dem Förderverein VersicherungsMathematik im Bereich der Kraftfahrtversicherung (VM4K), der Forschung und Praxis vernetzt. Die Itzehoer Versicherung zählt zu den ersten Versicherern, die im Rahmen eines Testprojekts Telematikdaten gesammelt haben. Mittlerweile haben sie das Projekt jedoch eingestellt. Würden sie ein neues Telematikprojekt starten, so würden sie sicherlich die Erkenntnisse meiner Bachelorarbeit nutzen.
VWheute: Wieviel Heatmaps/Daten werden über welchen Zeitraum benötigt, um ein adäquates Bild über einen Fahrer zu bekommen, bzw. ein Profil zu erstellen?
Annika Ziegler: Die Heatmaps, die ich im Rahmen meiner Arbeit erstellt habe, enthalten die Fahrdaten über ein Jahr. Durch die Betrachtung eines langen Zeitraums ist gewährleistet, dass das charakteristische Fahrverhalten eines Fahrers dargestellt wird. Bei der Betrachtung eines sehr kurzen Zeitraums besteht die Gefahr, dass einzelne Ausreißer zu stark ins Gewicht fallen und die Heatmap nicht das eigentliche Fahrverhalten des Fahrers widerspiegelt. Fahrer, für die trotz der Betrachtung eines Jahres nicht genug Fahrdaten vorliegen, müssen aussortiert werden.
VWheute: Wie kann Ihr System noch verbessert werden, könnte ein Versicherer es auf dem jetzigen Stand bereits implementieren oder mit seinem System/Tarifierungsmerkmalen verbinden?
Annika Ziegler: Das Modell kann bereits implementiert werden. Auch die Verbindung mit Tarifierungsmerkmalen des Versicherers ist problemlos möglich. Es gibt aber trotzdem noch Verbesserungspotenzial. Das Modell könnte zum einen dadurch verbessert werden, dass als Zielgröße für die Modellierung statt der KH-Prämie Schadendaten verwendet werden.
Diese standen mir jedoch nicht zur Verfügung. Auch würde eine Vergrößerung des Datenumfangs eine Verbesserung des Ergebnisses bewirken. Zum anderen könnten weitere Variationen der Heatmaps analysiert werden. So habe ich zum Beispiel in meiner Bachelorarbeit auch Heatmaps betrachtet, in denen statt der Beschleunigung die Querbeschleunigung dargestellt wird.
VWheute: Sie nennen Verbesserungsbeispiele. Erläutern Sie das bitte und erklären Sie, wie aufwendig das wäre und welchen Nutzen es bringen würde.
Annika Ziegler: Die Heatmaps könnten zum Beispiel dadurch variiert werden, dass zusätzlich zu der Beschleunigung und der Geschwindigkeit noch der Straßentyp oder etwa die Populationsdichte als weitere Variable einbezogen wird. So könnten pro Fahrer jeweils für verschiedene Straßentypen verschiedene Heatmaps erstellt werden. Dies würde dazu führen, dass zum Beispiel das Fahrverhalten auf der Autobahn anders bewertet wird als das Fahrverhalten im Stadtverkehr, was eine Verbesserung des Modells zur Folge haben könnte.
Eine weitere Möglichkeit, eine Verbesserung des Modells zu erreichen, ist die Kombination mit klassischen Tarifmerkmalen oder anderen, das Fahrverhalten beschreibenden Merkmalen, wie zum Beispiel der Anteil an Nachtfahrten. Somit kann sichergestellt werden, dass auch Effekte, die nicht aus den Heatmaps ersichtlich sind, ins Modell einbezogen werden.
VWheute: Können wir uns darauf in Ihrer Master-Arbeit freuen oder wollen Sie erst einmal – bei einer Versicherung – Praxiserfahrungen sammeln?
Annika Ziegler: Da ich erst mit meinem Master angefangen habe, ist noch etwas Zeit bis zu meiner Masterarbeit. Parallel arbeite ich weiterhin bei Meyerthole Siems Kohlruss, um Praxiserfahrungen zu sammeln. Auch hier beschäftige ich mich vor allem mit dem Thema Telematik. Ich könnte mir gut vorstellen, dieses Thema in Zukunft in meiner Masterarbeit zu vertiefen.
Zur Person: Annika Ziegler arbeitet als Analystin bei der aktuariellen Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss in Köln. Ihre Abschlussarbeit zur Telematik wurde vermittelt und unterstützt vom Förderverein VersicherungsMathematik im Bereich der Kraftfahrtversicherung, kurz VM4K.